Heute in der Kaufhalle. Hier in Magdeburg sagt man immer noch Kaufhalle, wie in der DDR. Es wagte jemand, ohne Maulkorb einkaufen zu gehen. Es regte sich natürlich auch jemand auf. Und dann setzten ein paar andere, die auch Maulkörbe trugen, zur Verteidigung des revolutionären Freigesichtes ein – mit Worten, die ich hier nicht wiederholen kann. Dieser Freigeist hier in der Stadt gefällt mir sehr gut. Nicht aggressiv, aber sehr bestimmt. Ich selbst war nur mit Tuch im Gesicht mal schnell hineingehuscht, wegen einer Flasche Wasser, als ich dieser Szene beiwohnen durfte. Dann fiel mir ein, dass ich auch schon ganz schön Corona bin:
Ich bin so – Corona. Erstens werde ich jeden Tag dicker. Zweitens habe ich absurde Geschäftsideen. Drittens geh ich fast nicht mehr einkaufen, weil ich Maulkörbe schon immer verabscheut habe. Viertens höre ich sentimentale oder aber aggressive Musik. Fünftens denke ich an „mein Schaukelpferd zurück“ – war ein Karat-Zitat, wer es nicht weiß, ist eine Band aus der DDR, die es heute noch gibt – vielleicht ist das wacklige Schaukelpferd Symbol für ein verlässliches Auf- und Ab aus alten Tagen, das wir im Moment vermissen. Sechstens frage ich seit Tagen alle, die ich kenne, ob jemand jemanden kennt, oder jemanden kennt, der jemanden kennt, der coronisiert ist. Coroni sollen die Obolusse (so verlangt es der Duden, ich hätte sie ja gern Oboli passend zu Coroni genannt) der Superreichen heißen, die bluten sollen für, ja wofür eigentlich… ich las das auf Twitter bei einer stark bewegten Linken. Linke sind immer wieder für ihre neuen alten Ideen gut. – Nun ja, last not least die glorreiche Sieben: Ich lese zum dritten Mal „Die Pest“ von Albert Camus. Dieses Mal unter vollkommen anderem Blickwinkel. Coronisiert gewissermaßen. Und selbstverständlich ganz und gar existentialistisch.