Aus meinem sporadischen Tagebuch
Die meisten Leute ändern sich wenig und wiederholen nur die stets gleichen Dinge. Ich wahrscheinlich auch. Ich habe ja eigentlich das langweiligste Leben, das man haben kann, wüsste aber wirklich nicht, wodurch es interessanter werden könnte. Letztlich lebe ich in anderen Leben, durch Lesen oder Filme. Das Leben der Anderen aus sicherer Entfernung.
Schreibblockade. Bewundernswert sind die, aus denen es nur so herausströmt. Ich werde am nächsten Wochenende mal diese gehypte Juli Zeh lesen. Mal sehen, was das ist. Interessant wäre zu wissen, ob die Leute die Romane kaufen, weil sie gut sind oder deshalb, weil in allen Zeitungen steht, dass sie gut sind. Das würde letztlich bedeuten, dass nur Leute Bücher kaufen, die Zeitungen lesen, ob nun als Papier oder auch online. Es gibt aber noch eine andere Szene, die anscheinend auch gut läuft, die ich nicht kenne. Kerstin Gier und so etwas wie das mit den grauen Schatten. Vielleicht sollte ich das auch mal lesen, um meine Schreibblockade zu lockern. Gut war ja auch diese Schriftstellerin, die aus Jena stammt, der Name fällt mir gerade nicht ein, doch, fällt mir ein: Melanie Rabe. Die hat mir gefallen. Immer wieder bewundere ich Max Goldt, der aber auch von Schreibblockade spricht. Und Stuckrad-Barre hatte ein Alkoholproblem, wäre mal interessant zu wissen, ob er clean ist oder wieder mit dem Trinken oder anderen vermeintlichen Schreibblockaden-Lösern angefangen hat.
Ich bin ein Kommunistenkind. Und schaue immer wieder mit Erstaunen zurück auf diese Vergangenheit. Unsere Vergangenheit in einer „Diktatur des Proletariats“, wie sie sich stolz nannte. Sie holt mich bisweilen ein, doch heute bin ich immun. Heute weiß ich ganz sicher, dass die „Idee“ eben nicht gut ist, egal, wie schlecht sie ausgeführt wird. Und eines habe ich ganz und gar nicht: Den Fanatismus, mit dem dieses Projekt immer wieder aufs Neue betrieben wird. Besonders fanatisch – ja anders kann man das nicht nennen – war meine Mutter. Wobei ich oft nicht weiß, wie sehr bei Sinnen derartig fanatische Menschen sind, wie sie einer war. Der Vater war vermutlich nicht so. Ich wüsste zu gern, ob er die Wende im Denken hinbekommen hätte, weg von seinen kommunistischen Vorstellungen. Wahrscheinlich dann doch nicht. Es ist Spekulation. Vielleicht war er doch nicht der große Denker, für den alle ihn hielten. Wenn er das gewesen wäre, wäre er dann so ein treuer SED-Genosse gewesen? Nein! Oder die dachten damals wirklich, dass sie ein ganz großes Projekt der Menschen-Beglückung betreiben. Das genau ist die Crux. Dass die Sozialisten/Kommunisten immer glauben, die anderen mit Glück versorgen zu müssen und nicht willens und in der Lage sind, diese anderen nach ihrer Fasson selig werden zu lassen. Sie müssen sich einmischen, weil sie denken, dass sie extrem hochwertig und moralisch sind. Es ist schwer, als Superlinker, sich davon zu verabschieden, dass man nicht für alle Menschen, schon gar nicht für alle die, die es in der Welt gibt, verantwortlich ist. Beschränkung auf den engsten Kreis ist schon anstrengend genug. Glücklicherweise bin ich die ersten Jahre bei meiner katholischen Großmutter aufgewachsen, das hat mich geprägt und letztlich vor dem Schicksal bewahrt, das eigene Denken über das vierzigste Lebensjahr hinaus zu verlernen.