01. Jun 2019

Das Katzenjammerkonzert meines Lebens

Heute wieder so ein Traum. Ein Albtraum: Ich muss etwas tun, was ich nicht kann. Es findet bzw. soll immer auf einer Bühne stattfinden. Es ist immer was Künstlerisches. Insbesondere meist etwas Musikalisches. Ich soll wahlweise ein Konzert auf der Gitarre oder mit der Geige geben. Oder singen. Oder etwas vortragen. All das kann ich nicht. Und ich weiß das auch im Traum. Ich tue immer so, als ob ich es könnte, bis kurz vor dem Auftritt. Dann versuche ich Gründe zu finden, warum dieses Event nicht stattfinden kann. Alle anderen denken, dass ich eine große Künstlerin bin und das ganz super machen werde. Ich komme mir wie eine Betrügerin vor und ich bin ja auch eine. Wie ich immer wieder in diese Situationen komme, weiß ich nicht. Nachdem ich heute mit einem Freund aus alter Zeit darüber gesprochen habe, machte dieser mich auf ein Geigenkonzert aufmerksam, das ich tatsächlich absolvierte. Er war nämlich dabei. Für alle, die das nicht wissen, ich musste in meiner Kindheit und Jugend auf Geheiß meiner Eltern Geige lernen. In der Schule, in die ich mit zwölf Jahren wegen Umzugs wechselte, wurde ich sofort in die dortige Musikgruppe des Musiklehrers eingeteilt. Ich musste zu den Übungsstunden eines Quartetts am Nachmittag gehen, in denen wir ein kleines Konzert probten, das dann vor der gesamten Schule in der Aula vorgeführt werden sollte. Ehe dieses für mich „Angst“-Konzert begann, suchte einer der Mitspieler seine Noten. Sie waren nicht auffindbar. Es war ein Suchen und sich gegenseitig verdächtigen. Ich fühlte mich unschuldig. Was hatte ich mit den Noten des Mitspielers zu tun? Soweit ich mich erinnern kann, spielte er dann ohne diese Noten. Aus dem Gedächtnis, welches wahrscheinlich nicht so gut war. Auf jeden Fall lieferten wir ein grauenhaftes Katzenjammer-Konzert ab. Was bei Streichern, die nicht routiniert und wirklich gut sind, kein Wunder ist. Es klappte nichts. Ich fiedelte wie besessen vor mich hin, ob ich meine Noten wirklich adäquat abspielte, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall war das Ganze ein Desaster, über das die Schule und alle Schüler noch lange lachten oder zumindest redeten. Mitten in unserem Gruselkonzert fiel der Vorhang und der Schulchor setzte zur Rettung ein und sang ein Lied. – Am Boden zerstört schlich ich in den Garderobenraum und wollte meine Geige einpacken. In meinem Geigenkoffer fand ich die Noten des Mitspielers, die dieser vordem nicht finden konnte. Ich weiß bis heute nicht, wie die da hingekommen sind. War das eine Intrige? Und wenn ja, wem sollte sie schaden oder nützen? Schuldbewusst, ohne Schuld zu haben, verbrannte ich die Noten zu Hause. Es war eines meiner schlimmsten Erlebnisse im jugendlich-pubertären Leben, das ohnehin schwer genug ist, wie jeder weiß. Ich hatte das alles vollständig verdrängt. Vielleicht deshalb immer wieder dieser Traum. Jetzt, da ich weiß, was vielleicht der Grund ist, hoffe ich auf ein Ende. Kein Albtraum von Bühnenheldentaten, die ich nicht vollbringen kann. Nicht mehr.


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