„Ich lese das immer, was Du da schreibst, auch wenn ich nichts kommentiere.“ Sagte kürzlich eine Freundin, die ich ein paar Jahre nicht gesehen hatte. „Was meinst Du denn? Was schreibe ich?“ – „Na, da im Internet schreibst Du doch immer so Zeug über Mode, Diäten und so.“
Aha. So kommt das also an? Klingt erst einmal niederschmetternd. Wollte ich über „Mode, Diäten und so“ schreiben? Eigentlich nicht! Eigentlich sagt es, vielleicht doch! Ich, die Mode- und Diätenkolumnistin? Eine Frauenzeitschrift kaufe mich ein! Ich lieferte jede Woche einen knackigen Beitrag, obwohl ich doch – eigentlich – über das Leben an sich, die Liebe, Politik und das große Ganze schreiben wollte. Wollte ich das? Mal scharf nachdenken. Doch, ich will schon, aber ich kann nicht. Der Rechercheaufwand ist mir zu groß. Die Angriffsfläche ebenfalls. Schuster bleib bei deinen Leisten, sagte meine Oma immer. Und ich überlegte jahrelang, was Leisten sind. An Schuhen.
Ich bleib bei meinen Leisten. Mode ist es nicht, liebste Freundin. Davon hatte ich noch nie viel Ahnung. Für Mode fehlt mir der entsprechende Body, wie das heute heißt. Mode für Mollige mag ich schon gar nicht. Eine meiner Schwiegermütter riet mir eines Tages, ich solle in einem Geschäft, das „Dick, aber schick“ heißt, meine nächste Hose kaufen. Da blieb mir der Mund offen und ich dachte an die nächste Diät. Und dass diese Schwiegermutter doch eine niederträchtige Schlange ist.
Niemals beträte ich freiwillig einen Laden, der „Dick, aber schick“ heißt. „Du musst zu Dir stehen! Nimm Dich an! Sei die, die Du bist!“ – säuseln meine esoterischen Freundinnen. Leider verriet mir keine, wie das geht. Sei mutig und entscheide: Nimmst Du die „Ku’damm-Boutique“ oder „Dick, aber schick“! – Natürlich die Ku’damm-Boutique, die ich schüchtern betrete und betreten die fünf Kleidungsstücke auf der ersten Stange ein wenig verschiebe.
Dann tritt mir eine große Blonde entgegen, schützt ihre Stange vor mir und sagt: „In Ihrer Größe haben wir nichts!“ – „Ich suche etwas für meine Nichte…, stammele ich. „Das sagen sie alle!“ – hat sie natürlich nicht gesagt, aber gedacht. Schnell fliehe ich in einen heißen Ku’damm-Nachmittag. Hinaus, hinaus! Ich überlege fieberhaft, ob ich doch mal einen Blick in „Dick, aber schick“ werfe. Vielleicht sind dort Verkäuferinnen, die meine Problemzonen mit Verständnis dezent verhüllen.
„Dick, aber schick“ beginnt mit 42. Eine Größe, die früher nicht im Dicken-Bereich angesiedelt war. Heute zieht ihr Besitz bereits die Exerzitien der Fitnesscenter nach sich, sollte frau nach dem Überschreiten von 36 bis 40 in der Zahl 42 nicht die Weltformel erkennen, sondern eben ein Problem. Dick, aber schick. Ab Größe 42. Aha.
Die blonde Verkäuferin, die vermutlich ihre Gewänder nicht im eigenen Laden kauft, taxiert mich. „Was suchen Sie denn?“ – „Ach, nichts Bestimmtes…“ – Ich stütze meine zitternden Arme an einer Hosenstange und denke: Schwarz! Schwarz macht schlank. – „Das Vollweib trägt Farbe!“- lese ich an der Wand. Die Hosen sind eine Regenbogenkaskade. Lila, gelbe, grüne, blaue, rote, rosa Hosen. Dazu Größe… ach, ich denk sie mir nur. Und wanke mit einer Grünblauen in die Umkleidekabine.
Sollte ich dereinst eine Boutique mein eigen nennen, werde ich all mein Kapital in eine Umkleidekabine investieren. Sie sei groß, nicht zu hell, mit bräunlichen Spiegeln, die schmeicheln, sie sei kühl und mit leiser Musik ausgestattet. Kein Schwitzen, kein lila Wasser-Leichen-Licht. Keine Enge. Kein Mord am letzten Rest des Frauen-Selbstbewusstseins! – Doch hier – bei „Dick, aber schick“ ist dieser Ort des Opfergangs in eine mittlere Depression noch vom alten Schlag. Ich ziehe die Hose über das rechte Bein und lass es sein. Vielleicht doch wieder eine Diät? Noch nicht einmal dafür hab ich Rezepte. „Du schreibst doch da über „Mode, Diäten und so“? – Ich muss nochmal nachdenken. Fortsetzung folgt.
Foto: „Ich halte Dich. Gott.“ Aufgenommen auf der Autobahn.