30. Dez 2014

Woran man im Alter hängt

 Ja, in dem Alter bin ich schon. Ich denke darüber nach, wie das so weitergeht mit dem Alter, mit dem Altwerden. Und auch darüber, was ich loslassen werde und muss. Und woran ich hänge. Der Mann im Haus gegenüber – ich nenne ihn Hausmeister Krause – steht jeden Tag im Blaumann vor der Tür und wartet auf die BSR – die Berliner Stadtreinigung.

Hausmeister Krause bewacht seine Tonnen und überlässt sie den jungen kräftigen Kerlen von der Stadtreinigung nur für kurze Zeit. Unruhig und beinahe streitlustig hält er an den Tonnen fest und läuft mit zum Auto, in das die Entleerung stattfindet. Dann kommt sein Part. Er schiebt die Tonnen zurück in den Hof. Hausmeister Krause ist ungefähr 90. Groß und dünn. Und er raucht. Steht vor dem Haus, raucht und wartet auf seine Freunde von der Stadtreinigung. Er hat einen Blaumann an. Er arbeitet. Mit den Tonnen. Er hat eine Aufgabe.

Einmal nachts stand ein Rettungswagen vor der Tür. Die Sanitäter wollten Hausmeister Krause retten. Offensichtlich hatte jemand angerufen, dass es ihm schlecht ginge. Ich stand aufgeregt auf dem Balkon und rauchte. Wird das seine letzte Fahrt? Aber nein! Mit Todesverachtung machte er sich von den Rettungssanitätern los und stieg selbständig in das Rettungsfahrzeug. Und kam am nächsten Tag wieder nach Hause. Zu seinen Tonnen. Zu seiner Arbeit, die ihn am Leben hält. Das ist ein Jahr her. Und Hausmeister Krause hält weiter Tag für Tag an seinen Tonnen fest. Seine Tonne Leben! Ich liebe es, ihm zuzuschauen und lerne von ihm: Solange Du eine Aufgabe hast, ist es noch nicht vorbei.

Foto: Die Mülltonnen im Haus gegenüber – unserem Haus in Berlin-Charlottenburg.


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