„Ich möchte seicht sein“. Hab ich bei Elfriede Jelinek geklaut. Ist also ein geadeltes Bonmot. Natürlich ist sie niemals seicht. Es verträgt sich nicht mit ihrem Nobel-Ruf. Ich aber kann so seicht sein, wie mir meist ist. Und mich sogar mit einer Waage unterhalten. Oder mit mir selbst reden – über all das Frauengedöns. Mit mir selbst SEIN – natürlich im Unreinen.
Ich frag mich zum Beispiel: Warum bin ich nicht längst vegan? Wie alle. Sollte ich Yoga zelebrieren? Wie alle? Warum jogge ich nicht? Schwitze nicht in eisernen Fitness-Greifarmen? Warum bin ich keine „Nichtesserin“? Sich als eine solche auszugeben, empfahl einst die Zeitschrift „Brigitte“ ihren Leserinnen für abendliche Einladungen. Keine Nicht-Trinkerin. Keine Nicht-Raucherin. Reden ist noch nicht ganz verboten. Schreiben auch nicht. Also schreibrede ich. JETZT.
Jetzt ist die Stunde der Wahrheit. Ein seichter Anflug – auf die Waage: „Schau mal, hier stehe ich. Vor deinem Angesicht. Und will tapferen Blickes deinen Ausschlag ertragen. Ihn geradezu studieren! Mir Gedanken machen. Ja, ich muss. Muss ich? Soll ich es wagen? Wag ich es? Oder wag ich es nicht? Schau ich dir in die Augen? Betrete ich dein Refugium? Da stehst Du. Höhnisch. Unbestechlich wie Elfriede Jelinek. Und ich? Schlug wieder all die guten Ratschläge in den Wind. Ich hab mich einfach nicht im Griff. Oft weiß ich nicht, was ich tu‘. Dir aber ist nichts so fremd wie – Vergebung. ABTRETEN! – Büßen! – Ich heb‘ ein Bein. Könnte dieser Tisch mir eine Stütze sein, damit du nicht merkst, wie sehr ich meinen Todfeinden zugetan war? Fett. Zucker. Alkohol. ICH. RUF. DICH. AN. WIEGE. MICH! Verzeih, dass ich all die Erzeuger ungeliebten Fett-Gewebes in mich hineinstopfte. Im Übermaß natürlich. Vielleicht mach’ ich es wie die drei Affen. Die aus Indien. Schließe die Augen. Mund zu und nur ganz leicht die Oberlippe spitzen. Ohren?
Egal. Du sprichst nicht. Gottseidank. Es gibt ja andere, die mit perfider Stimme mahnen: Sie haben seit Ihrem letzten Auftritt 678 Gramm zugenommen! Du nicht. Du sprichst nicht. Ich blinzele. Vielleicht bist du ja doch …milde… Bist du nicht. Das Urteil ist gefällt: Ich war zügellos. Nun hab ich‘s. Nicht erleichtert, geprüft und für schlecht befunden. ICH HASSE DICH. WIE DU MICH. Vielleicht schaff’ ich dich ab. Du gehörst auf den Fischmarkt, widerliches Miststück, Du! Seelenlose Zahlenfetischistin! Ich mach mich nicht von Zahlenmystik abhängig! Ich doch nicht! (Haben herrschsüchtige Männer konstruiert, flüstert Elfriede) – Ich pack dich und schmeiß dich aus dem Fenster.“ So. – Eine Woche später kaufe ich mir eine neue. Mit Körperfettanzeige. Und der sexy Stimme von Elfriede Jelinek.