Home-Office – die verschärfte Form. Seit dem 11. März. Es gefällt mir. Ich muss nicht mehr Zugfahren. Müsste ich nicht ab und an Dinge im Draußen erledigen, ich bliebe hier – in meinem Home mit angeschlossenem Office. For ever. Vielleicht bestellte ich im Supermarkt online. Als Ausgleich spränge ich auf dem Trampolin herum, turnte nach den Videos von Gabi Fastner oder rollte auf Geheiß von Liebscher-Bracht die Faszien. Früher in der DDR, als ich noch im Hotel arbeitete, war ein Office das, was außerhalb des Gastraumes lag. Kellner trafen sich im Office mit Köchen, aßen oder tranken schnell was, unterhielten sich über die Gäste oder setzten sich kurz hin. Der Duden bestätigt mir das Office im Gastgewerbe. Home-Office hätte früher Heimbüro geheißen. Aber jetzt: My home office is my castle. Der listige Online-Duden spielt mir das vermutlich nicht-englische Wort „Lolch“ ein. Als „selten verlangtes Wort“. Kann ich mir vorstellen. Ich kenne auch keinen Lolch. – Ich kenne nur LOL, was mich nervt, wenn jemand zu einem von mir geschriebenen Posting – in sozialen Netzwerken – mit LOL kommentiert. „Lach“ ist genauso doof. – Der Lolch also. Mal schauen. „Zu den Süßgräsern gehörendes Gras mit vielen Blüten und kleinen Ähren in zwei Zeilen“. Und dann bietet sich noch der Taumellolch an, auch ein Gras. Ok, ich schwanke zwischen den Stühlen meines Home-Office wie ein Taumellolch! Sieben Stühle. Hier in meinem Home-Office. Außer der Dame vom Finanzamt war in letzter Zeit niemand hier. Sie kam, um mich zu prüfen, natürlich. Wie wäre eigentlich eine Finanzamtsprüfung in Corona-Zeiten? Oder gibt’s keine mehr? Wegen Abstand und Masken. Masken überhaupt. Auch wenn ich reichlich Zunder von meinen Lesern bekam, ich bleibe dabei: Ich trage keine Maske. Ich gehe auch ohne Maske einkaufen. Wenn ich schonmal einkaufen gehe. Ich schau die anderen mit den Masken interessiert an. Sie sagen nichts. Ich auch nicht. Ich frage mich indessen, wieso ich mindestens fünf Kilo auf der Skala des Grauens nach oben gerutscht bin, obwohl ich nur noch die Hälfte einkaufe. Gut, ich habe auch gehamstert. Legte mir Keks- und Schokoladen-, aber auch Dauerwurst- und Whiskey-Vorräte zu. Mittlerweile alles vertilgt. Wird ja vielleicht doch schlecht. So wie ich hier so langsam vor mich hingammele. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir zwei Tage lang die Haare nicht kämme. Wozu? Ist doch egal. Nicht egal: Mein neuer online bestellter „Cooler Kaftan“. Mein Hauskleid. Sehr verführerisch, um Kilos zu verstecken. Der freundliche Nachbar fragt, ob es für dieses Kleid keinen Gürtel gäbe. Ich: Warum? Er: Naja… ach, ein Kaftan, ja, das sieht man. Cool! – Mein cooler Kaftan in Schwarz natürlich – hat große rot-blaue Blumen – vorn und hinten. Ich vermute, er macht dick. Aber, wen interessierts? Ja, ich habe zugenommen. Meine Keto-Diät ist gescheitert. Das Ergebnis: Ich esse enthusiastisch alles, was da verboten war. Kohlehydrate. Dicke, fette Kohlehydrate. Ob ich den Tag, an dem ich einen Gürtel auf den Coolen Kaftan schlingen kann, noch erleben werde? Egal, Corona hat nicht nur mich dicker werden lassen, ich höre es allenthalben auch von anderen. Nun warten wir auf die zweite Welle. Herr Lauterbach von der SPD kann es gar nicht erwarten, während er seinen Stammplatz in den Talkshows behauptet. Ich singe „Das ist die perfekte Welle“, wasche und kämme mir die Haare, bestelle mir noch einen grünen Kaftan und bin froh, dass ich für morgen alles erledigt habe. Und ich trinke ein Colbitzer Bockbier – hier aus der Region – Taumellolch schwankend zwischen den sieben Stühlen meines Home-Office.
13. Jul 2020