Sie sah immer super aus und trug nie flache Schuhe! Ich habe ihre Eitelkeit immer geliebt! Wenn ich in Magdeburg zu Besuch war, dachten immer alle ich wäre ihr Sohn. Ich schenkte ihr 1989 zu Weihnachten ein Opium Parfüm…sie hat sich nie wieder ein anderes gekauft und bedankte sich immer wieder für ihren Lieblingsduft, der es fortan war.
Meine liebe Oma, Frau Dr. Eleonora Pfeifer, ich habe dir immer mal wieder 20 Ost-Mark-Münzen aus deinem Schatzkästlein geklaut und habe das Geld sinnlos verfressen… Ich glaube, die hattest du über Jahre gesammelt, aber höchst wahrscheinlich, ohne an ihnen zu hängen. Es tut mir trotzdem leid und ich möchte mich dafür entschuldigen. Aber „Zetti Märchenbohnen“ waren verdammt teuer und ich getraute mich nicht, nach Geld zu fragen, was du mir mit hundertprozentiger Sicherheit gegeben hättest und auch getan hast. Enkel sind eben bescheiden. Auch deine GEHEIM-Sprache „Malifesohu“ bleibt immer in meiner Erinnerung. Alles was du gekocht hast, hat mir einfach nur geschmeckt! Dieser Duft von Schweinekotelett mit Rosenkohl und Kartoffeln. mhhhh ..Außerdem tut es mir leid, dass du mich 1982 mit mahagonirot gefärbten Punker-Haaren und zerrissenen Jeans vom Magdeburger Hauptbahnhof abholen musstest und dir das sehr peinlich war….ich kam mit hoch gekämmten Haaren zu dir und mit runter gekämmten fuhr ich wieder nach Hause. Eigentlich war ich total auf dem „No Future“-Trip und las dann Irma Thälmann „Erinnerungen an meinen Vater“. Ich empfand das aber immer als richtig! Ich kam als Rebell und ging als lieber Junge mit guten Vorsätzen. Deine liebevolle Erklärung, sich lieber ein wenig anzupassen, erschien mir sogar noch ein paar Tage, nachdem ich bei dir war, immer als Notwendigkeit.
Du hast mir viele schöne Kindheitserinnerungen beschert, beispielsweise deinen Vorschlag, meine erste Punk-Band „Flamingo“ zu nennen oder auch, mir immer akribisch meine Ohrring-Löcher zu reinigen und mir zu erklären, dass die Ohrlöcher wieder zuwachsen könnten. Dabei machtest du, als ich 14 Jahre alt war, die Feststellung, dass doch meine Nase ganz schön groß geworden sei, worauf ich mich das erste Mal in meinem Leben in deinem Badspiegel von der Seite spiegelte und diese Feststellung der angehenden Hakennase für mich für kurze Zeit ein Trauma war.
Ich genoss es auch als Kleinkind immer wieder, wenn du mich mit „Heitschi Bum Beitschi“ in den Schlaf gesungen hast. Das Outro dieses Liedes war besonders schön… Dieses bum bum auf meiner Nasenspitze war immer sehr zärtlich und könnte dennoch eine Erklärung für meine Charakternase sein. Meine unendliche Liebe zu DDR-Neubauwohnungen muss ich von dir haben, es war immer so gemütlich und wohlvertraut. Deinen dicken Wohnzimmerteppich hätte ich ohne Zweifel abgeleckt. Beim Mittagsschlaf in deinem Schlafzimmer das Musikantenhöllen-Triptychon von Bosch zu betrachten und mich in deiner immer frisch riechenden Bettwäsche einfach nur sauwohl und geborgen zu fühlen! Ich durfte immer noch Fernsehen schauen, wenn du und Roland schon im Bett waren und die Senderwahl blieb mir ganz allein überlassen. Das war zur damaligen Zeit schon revolutionär und durchaus weltfraulich, darüber hinweg zu sehen, dass ich mich hundertprozentig vom Klassenfeind unterhalten ließ. Außerdem war zu dieser Zeit Westfernsehen, und das in bunt, der absolute Wahnsinn! Dabei fällt mir lustigerweise immer wieder der Film „Gorky Park“ ein, den ich spät nachts sehen durfte. Dieser amerikanische Film mit William Hurt hatte ja doch irgendwo mit dem großen Bruder zu tun. Ganz abgesehen von American Werewolf. Heute habe ich dennoch ein gespaltenes Gefühl zu Amerika. Also keine Sorge! Auch Mischka der Olympiabär von 1980, den du mir aus Moskau mitbrachtest, war eine wichtige Figur meiner Kindheit und nahm mir die Angst vor dem 3. Weltkrieg. Spätestens als Udo Lindenberg den Krefelder Appell unterzeichnete und dies in der Jungen Welt stand, konntest du auch was mit Punk, Rockern und zerrissenen Jeans mit Peacezeichen-Flicken darauf gut finden, außerdem kam dir wahrscheinlich auch langsam die DDR-Staatsführung etwas eigenartig und starrsinnig vor.
Mit meinem schwarzen Cordanzug und einer große Summe Geld für meinen „Geracord“-Kassettenrecorder zur Jugendweihe hast du mich einfach nur glücklich gemacht! Du hast mir meinen „Actionbass“ finanziert, der für meinen Weg als Musiker sehr wichtig war, sinnloserweise mit mir immer wieder Russisch geübt und mir beigebracht, nicht immer oder besser gar nicht „Scheiße“ zu sagen. Es hat nichts genützt, ich kann kein Russisch und finde es verdammt Scheiße, dass du nicht mehr da bist!
Deinen Kampf für die „Diktatur des Proletariats“ habe ich nie so wirklich verstanden, viel mehr beeindruckte mich, dass du in Rio de Janeiro geboren wurdest. Du hast nie irgendetwas von mir verlangt, was ich immer als unglaublich angenehm empfand. Ich habe mich immer sehr gefreut, wenn wir traditionell jedes Jahr alle zusammen Weihnachten gefeiert haben und du und Roland nach Leipzig oder Berlin gekommen seid. Es war auch immer lustig, wenn du bei diesem Anlass meiner Mutter zu kleine Sachen mitbrachtest, die du nicht mehr angezogen hast, und sagtest: „Vielleicht wäre das ja was für dich.“ Wobei du wahrscheinlich gefühlt unter 50 kg gewogen hast. Du sahst eben immer großartig aus!
Ich bereue es zutiefst, dich in deiner Zeit im Heim so wenig besucht zu haben! Ich konnte es einfach nicht ertragen, dich so zu sehen. Es ist eben wirklich dumm zu glauben, es ginge immer einfach alles so weiter und wird irgendwann wieder gut! Ich hoffe du kannst mir das verzeihen, ich werde es wieder gut machen, spätestens dann, wenn wir uns wiedersehen! Wenn du dir ne Flasche Wein mit Rosa (Luxemburg) aufmachst, bestell doch bitte bis dahin, mal kämpferische Grüße! Ich habe dir noch einen zweiten Urenkel, sein Name ist Mio, geschenkt und war zu seiner Geburt am 21.12. 2013 ein Jahr älter als Opa Manfred zu meiner. Lustig, oder?
Du warst immer extrem lieb zu mir und warst der schönste Ausgleich in meiner aufregenden Kindheit! Danke, danke, danke…Ich liebe dich und werde dich nie vergessen! Wir alle werden dich nie vergessen! Dein Enkel Robert
Foto: Meine Mutter Ende der 60er Jahre bei einer Betriebsfeier der „Volksstimme“ Magdeburg, wo sie als Kultur-Redakteurin arbeitete.