23. Nov 2014

Du hast die Haare schön – Haariges zum Sonntag.

 „Herren-Bärte sind nicht nur sexy sondern auch modern. Der Trend geht wieder zu mehr Haar am Männerkörper und damit sind auch Herren- Bärte wieder gefragt. Und eines steht außer Frage, Herren-Bärte wirken erotisch auf die meisten Frauen.“ – lese ich in der Zeitschrift „Men’s Health“. – Aha. Der „gepflegte Drei-Tage-Bart“ ist Nummer 1 der Damen-Hitliste. Bart ist allerdings beim Küssen nicht so beliebt. Muss ich nicht erklären, warum.

Es gibt auch die Masochistinnen, die es so richtig haarig-hart mögen. Neun Prozent. Was Frauen gar nicht mögen, sind „ausgefallene“ Bärte. Vor allem das, was sich auf der männlichen Oberlippe tummelt. Und Ziegenbärtchen. Klingt ja auch blöd. So blöd wie Rotzbremse. Immerhin zwei Prozent glauben oder wissen, dass diese Kreationen ihr Herz höher schlagen lassen. Total Glattrasierte mögen zwanzig Prozent. Soweit so Bart.

Damenbart kann sich nur Conchita Wurst leisten. Die anderen zupfen. Mit zunehmendem Alter kann das zur Manie werden. Frau hat mindestens eine Pinzette, denn ein kleidsamer Conchita-Wurst-Bart wird das niemals werden. Nur spärliche harte Haare. Früher hießen die Hexenhaare. Und damit waren keine verführerischen Conchita-Wurst-Hexen gemeint. Sondern böse alte Zeig-Mir-Deinen-Finger-Hänsel-Hexen.

Fakt ist,  der Bart ist ein sekundäres Geschlechtsmerkmal – für Männer. Rasieren sie ihn glatt weg, ist es eine Modererscheinung oder – Hygiene. Hygiene, wenn sie Nudeln und andere Lebensreste darin nicht beherrschen. In meiner Jugendzeit war ein langer Jesus- oder Hippiebart total „in“, anti und revolutionär nach einer sehr langen glatten Zeit. War Affront gegen die Spießer-Eltern. Dann verschwand er, wurde in den Achtzigern zum Teilrelikt, in den Neunzigern zur Strichcode-Botschaft und in den Nullern irgendwie egal. Jetzt also wieder Bart. Jetzt auch Damenbart im Abendkleid. Begeisterte Anhänger und selbstverständlich auch Anhängerinnen im Bart-Vollrausch. Weitere politisch korrekte Möglichkeiten spare ich mir mit einem beherzten Anhängx.

Ich schwinge derweil wie besessen die Pinzette. Für jedes erwischte Haar ein triumphierendes „Ja“! Spaß? Ja! – macht es. Haare überhaupt. Hauptsache Haar. Ich stelle fest:  Haar als Hauptsache oder Haupthaar ist ungerecht verteilt.  Während die Geschlechter angeblich in Auflösung sind, löse ich das Haarproblem. Lass es einfach fallen. Bart ab. Pferdeschwanz hoch. Hoch lebe die Vielfalt der Einfalt. Ich lege mir „Hair“ ein und singe lauthals „Aquarius“ mit. Junges schönes langes Haar. Zu allen Zeiten der Ausdruck von Sexualität und – Macht. Warum rasierte man früher Rekruten, Strafgefangene oder Frauen, die zum Schafott gefahren wurden? Verordnete verheirateten Frauen – die Haube? Trugen orthodoxe jüdische Frauen auf ihren kahlgeschorenen Köpfen Perücken? Tragen Muslimas Kopftücher auf ihrer wundervollen lockigen Haarpracht?

Der Ausdrucks-Kampf mit Haaren und  Macht geht ungebrochen weiter. Die Machtlosen in der westlichen Konsumwelt merken es nicht und machen begeistert mit. Rasieren sich selbst. Am besten – überall. Außer auf dem Kopf. – Dabei sind die im Moment nicht so beliebten Kopftücher eine praktische Sache: Für Bad-Hair-Days – wie das heute heißt. Grace Kelly oder Audrey Hepburn trugen sie auch – und dazu die Sonnenbrille – für die Bad-Hair-and-Bad-Eyes-Days.


Lesen Sie auch