29. Jan 2015

German Angst und German Freude.

Angst. Doppelgänger. Gesundheit. Schadenfreude. Oder Weltschmerz. Worte, die das Deutsche auf fremde Zungen exportierte. Interessant, dass man uns und unserer ansonsten nicht so beliebten Sprache ausgerechnet solche Worte „abkauft“. Und nicht so etwas wie den Metallklorollenhalter. Oder die Straßenbahnhaltestelle. Wahrscheinlich zu lang. Zu bedeutungslos. Wir Deutsche sind die selbsternannten Bedeuter des Bedeuteten.

Trotzdem Welt-Angsthasen. German Angst ist so cool. Wir sind romantische – Doppelgänger. Sorgen uns Tag und Nacht um unsere Gesundheit und haben gern mal eine Schadenfreude. Statt ausgelassener Freude bevorzugen wir –  Weltschmerz. Im Übrigen ist auch Zeitgeist typisch deutsch. Der ist ein ganz besonderer deutscher Geist. Temporärer Spiritus. Bruder des Weltschmerzes. Weltschmerz ist nichts anderes, als eine Haltung des Geistes. Bevorzugt des deutschen Geistes. Und während die Amerikaner sich bei uns das Fahrvergnügen leihen – aus dieser harten, deutschen Sprache – bauen wir fleißig weiter Autos. Und haben Angst, dass wir die Führung verlieren könnten – beim Schneller-Höher-Weiter des Autobaus.

Der Dauerbrenner auf Partys ist es zu lamentieren. Kommt überall gut an, das beliebte Spiel der Erwachsenen: Ist es nicht schrecklich? Dieses, dieses, das und dies. Alles! Dieses Leben. Diese Verpflichtungen. Diese Arbeit. Miete. Sorgen. Nöte. Diese EU. Diese aufmüpfigen Ossis. Diese Frauen. Diese Männer. Diese Veganer. Diese Kinder. Dieses Bildungssystem. Diese Nachbarn. Diese… ich hol mal kurz meinen Duden und füge beliebig Wörter ein. Ok, ok – mach ich nicht. (Kleine Randbemerkung: Ich habe fünf Duden im Bücherregal, weil meine Mutter die offenbar im Sonderangebot günstig erstand und mir fünfmal hintereinander zum Geburtstag einen schenkte. War allerdings in den Neunzigern.

Natürlich schau ich da jetzt nicht rein, es gibt ja duden.de). – Vom UNS zu mir: Auch ich bin mitnichten von elfenhafter Leichtigkeit. Weder körperlich und schon gar nicht geistig. Natürlich zermartere ich mir Tag und Nach das Hirn, was der Sinn dieses Leben sein könnte. Leider kann ich keinen abschließenden Bericht liefern. Was ich weiß: Es geht rasend schnell vorbei. Ich sollte jeden Tag beim Aufwachen kreischen vor Glück, weil ich noch so einen Tag geschenkt bekomme. Vielleicht noch ein Jahr. Oder ein Jahrzehnt. Je weiter ich davon entfernt war, mir diese Gedanken zu machen, desto intensiver badete ich in deutschem Weltschmerz.

Die Welt braucht meinen Schmerz nicht, aber ich brauche die Welt, fällt mir da in Abwandlung eines mahnenden Spruches der frühen Ökobewegung ein. Adieu, Weltbetrachtung. Ciao, Weltschmerz. Ich geh jetzt zur Straßenbahnhaltestelle, um hernach einen Metallklorollenhalter zu kaufen. Leben geht immer weiter. Irgendwie. Ach, ich hab noch was vergessen: Wir sind höflich, wir Deutschen. Und pünktlich sind wir auch. Wir reden nicht so laut. In der Öffentlichkeit. Mit Ausnahme der Sachsen. Ein Vorurteil? Sachsen sprechen sächsisch. Und das ohne Hemmungen – überall. Ich liebe – wie alle anderen auch – meine Vorurteile. Sie strukturieren meine Wahrnehmung. Jeder hat sie. Ausnahmslos. Sehr lobenswert diejenigen, die sich dessen bewusst sind. Und ab und an den Versuch starten, vorurteilslos irgendeine Sache zu betrachten. Ich gebe zu, mir gelingt das nicht immer, aber immer öfter. Ich bin übrigens aus Sachsen. Und ich spreche leise.


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