22. Sep 2016

Mein Sohn Moritz Peter Gläser

Moritz ist mein jüngster Sohn. Wie jeder meiner Söhne, ist er ganz anders, als „gedacht“ – geworden. Ich verstehe vieles nicht, was er denkt. Und denke, dass er tatsächlich schon zu einer anderen Generation gehört. Er fragt mich oft, was bestimmte Wörter bedeuten, die für mich selbstverständlich sind. Zum Beispiel „verschmitzt“. Sein Vater Peter Cäsar Gläser schrieb in seiner Autobiografie „Cäsar. Wer die Rose ehrt“ (2007), Moritz wäre schon mit einem „verschmitzten Gesichtsausdruck“ geboren. Als Moritz das las, fragte er mich: „Liebe Mutter, was ist denn „verschmitzt“?“ Das fragte mich Moritz, der ein begnadeter Wortkünstler ist. Seine Texte, die er schon sehr früh begann zu schreiben, haben mich immer wieder fasziniert. Als eine, die selbst schreibt, besonders. Ich könnte nie schreiben, was er da macht. Es ist eine andere Welt. Angefangen hat es schon am Gymnasium, als die Deutsch-Aufgabe lautete: Schreiben Sie „Romeo und Julia“ von William Shakespeare in eigenen Worten um. Er tat das. Aber er „dichtete“ es um. Ich war vollkommen von den Socken, so großartig fand ich, was er da geschrieben hatte. Leider war die Lehrerin nicht meiner Meinung und gab ihm eine Vier. Es war aber die Zeit, als ich schon aufgegeben hatte, bei dummen Lehrerinnen für meinen Sohn zu werben. Er verließ dann diese Schule in der 12. Klasse und ging nach Leipzig. Er hatte einen Studienplatz – einer von dreien – in der Bass-Klasse der Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ ergattert. Weil er – ohne Noten zu können – so großartig spielte, dass man sich für ihn entschied. Er war siebzehn und das neue „freie Leben“ in Leipzig und in einer WG führte dazu, dass er nach einem Jahr wieder exmatrikuliert wurde. Ein Schicksal, dass seinen Vater in den Siebzigern ebenfalls ereilte. Es hieß damals „wegen schlechter Studiendisziplin“. Beide gefeuert. Beide weitergemacht.  Schade, sagt Moritz dennoch heute, wäre ich nur älter und klüger gewesen. Ich sage, es war eine Erfahrung. Immerhin gewann er den 1. Preis in einem Wettbewerb der Zigarettenmarke „Cabinet“ – eine ehemalige DDR-Zigarette, die es heute noch gibt – in der Sparte Musik. Für seine ersten Rap-Gesänge, die wir alle mit Begeisterung und Erstaunen hörten, und vor allem auch für seine großartige Performance auf der Bühne. Die Zeitschrift „Magazin“, ehemals DAS Magazin, das monatlich die einzige Nackte als Fotoakt in der DDR enthielt und heißt begehrt war, druckte seine Texte. Nur Robert, mein ältester Sohn und gleichzeitig Moritzs schärfster Kritiker und natürlich auch treusorgender Bruder, fand, Moritz singe immer nur „auf einem Ton“. Tja, hat Rap so an sich, oder? Wie Robert, mit dem Moritz regelmäßig den Super-Battle ausfocht und noch immer ficht, probierte, irrte und korrigierte Moritz ständig seine Musik und sein Leben und überhaupt alles. Heute wird er 35 Jahre alt und sieht noch immer aus wie 25. Er steht nun oft stellvertretend für seinen 2008 von uns gegangenen Vater auf der Bühne und fühlt sich nicht besonders wohl in dieser Rolle. Er will nicht „der kleine Cäsar“ sein, obwohl er so aussieht. Er will etwas Eigenes machen, was ich verstehe. Zur Feier des 44. Geburtstages seines Bruders Robert im Dezember 2015 konnten die vielen Gäste sehen, was er meint. Wenn er SEINE Musik macht, steht er nicht – wie sein Vater – auf der Bühne, sondern er springt und tanzt und performt. Singt seine eigenen Texte und spielt seine eigene Musik. Dann ist er nicht mehr der schwierige und irgendwie unfreundliche Moritz, wie ihn oft die Anderen sehen. Dann lacht er auf seine unnachahmliche Art, von der ich mir wieder mehr wünsche. Inzwischen ist er auch nicht mehr der „Kleine“, der „Unordentliche“, der „Zuspätkommer“ und „Chaos-Mensch“ (O-Ton Robert). Im Dezember 2014, genau an Roberts Geburtstag, ist Moritz Vater von Tamino geworden. Dieses Kind hat Moritz noch einmal verändert. Er hat Verantwortung übernommen. Nicht nur für sich, sondern auch für einen anderen Menschen, der neu auf diese Welt kam. Ich liebe meine Söhne Robert, Ben und Moritz. Jeden auf seine Art. Sie sind verschieden. Sie streiten und sie vertragen sich. Jeder ist eine ganz eigene Kreation. Moritz – ich gratuliere Dir zum Geburtstag. Ich liebe Dich, so, wie Du geworden bist. Und auch so, wie Du noch werden wirst. Da habe ich große Hoffnungen.

Foto: Moritz und Robert Gläser


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