27. Sep 2022

Niemals Fahrstuhl fahren – wir blackouten uns – mit einem Prosit auf die Klimaerwärmung!

„Ich hab gerade von Marc Elsberg „Blackout“ gelesen. Da geht es darum, dass in ganz Europa und später auch noch in den USA der Strom ausfällt. Und zwar nicht nur für ein paar Stunden, sondern für eine unabsehbare Zeit. Man kann nicht mehr die Toilette spülen, denn es gibt kein Wasser. Man kann nicht mehr tanken, denn die Tanksäulen funktionieren nur mit Strom. Die Supermärkte schließen, weil es keinen Nachschub gibt, Licht und Kassen nicht funktionieren, die Banken schließen, weil sie kein Bargeld mehr haben. Die Krankenhäuser schließen, weil die Notstromaggregate zu Ende gehen. Die Kühe sterben, weil sie nur elektrisch gemolken werden können. Die Menschen werden in Notunterkünften untergebracht. Es gibt zentrale Essensverteilung, die aber auch nicht funktioniert. – Anarchie. Schwarzmarkt. Raub und Mord. Kommunikation funktioniert natürlich auch nicht mehr. Überleben eben. – Da hab ich mir überlegt, ob ich mir mal einen vierzehn Tage-Überlebensvorrat zulege. Und wo gibt es ein Notstromaggregat? – Ich muss sagen, das war kein unwahrscheinliches Szenario…“ – Achtung: Das schrieb ich am 9. September 2012 auf Facebook.

Und erntete wohl eher ein Lächeln. Elisabeth mal wieder! Hysterische Elisabeth. Ängstliche Elisabeth. Die, die immer Stress machen muss. Ja, machte ich. Ich kaufte damals ein Reservoir an Lebensmitteln, Kerzen und Wasserbottichen. So fünf Liter-Plastik-Gebinde bei REWE, die es noch reichlich gab. Sie wurden im Keller gebunkert, den es heute nicht mehr gibt. Komischerweise habe ich nicht – so wie heute – wahrhaftig daran gedacht, ein Notstromaggregat zu kaufen Und mit den Jahren vergaß ich beinahe, dass ich mir nach der Lektüre von Elsbergs – immerhin – Bestseller nur zu gut vorstellen konnte, wie unsere Zivilisation zusammenbricht. Dass ich mir Gedanken machte, wie tauglich ich in einer rauhen, unzivilisierten Gesellschaft sein würde. Wie ich reagierte, wenn es einen Bürgerkrieg gäbe. Sollte ich mir Waffen zulegen? Oder Bücher lesen, wie man sich selbstversorgt?

Meine Umgebung befand, dass das alles nicht wichtig wäre, für diesen Fall hat die Regierung bestimmt schon an alles gedacht. Es gäbe in Berlin-Charlottenburg alte Brunnen auf manchen Straßen. Und es gibt ein Technisches Hilfswerk, es gäbe Polizei und Feuerwehr und viele andere Helfer. Die wurden dann 2015 gebraucht, als die Göttliche Kaiserin geruhte, die Grenzen grenzenlos zu machen. Zumindest hier bei uns im gelobten Land, in dem wir gut und gerne lebten. Ein anderer Sturm kam über uns und wir hatten genug zu tun, diesen zu bewältigen.

Ich dachte nicht mehr oft an einen Blackout, nur ab und an nagte das Thema an mir. Zum Beispiel als unser damaliger Innenminister – na, wie hieß der? — er hieß Thomas de Maizière – bei einer Pressekonferenz plötzlich zu Vorräten riet. Er wollte den Bestseller-Titel zitieren, doch fiel ihm dieser nicht ein. Er hatte ihn nicht gelesen. Die Redenschreiber fabrizierten ihm den Bestseller ins Manuskript. Und er musste mal schnell „nach hinten“ den Titel erfragen. „Blackout“, Herr Innenminister, Frau Innenministerin heute! Blackout, das weiß nunmehr jeder. Das Internet ist voller Ratschläge. Die Online-Händler haben (noch) gefüllte Lager mit allem, was das stromlose Herz begehrt. Die Preise steigen und steigen. Wer jetzt noch nichts hat, sollte sich sputen. Denn: Blackout ist in aller Munde. Gern verwechselt mit einem „einfachen“ Stromausfall. Ja, ich habe mich, ohnehin seit zehn Jahren angefixt, schlau gemacht. Ein Blackout ist ein Stromausfall, der ganz Europa erfassen würde. Und nicht nur ein paar Stunden, nicht nur einen Tag, sondern viele Tage, im schlimmsten Fall sogar Wochen. Im allerschlimmsten Monate. Das Ende der Zivilisation, wie wir sie seit fast achtzig Jahren kennen.

Wir kennen keine Hungersnöte, keinen Wassermangel. Wir wissen nicht oder nicht mehr, wie es ist, im Winter in unbeheizten Wohnungen zu bibbern. Wir wissen nicht, was Hunger und Durst über einen längeren Zeitraum wirklich bedeuten. Werden die Menschen sich gegenseitig helfen? Werden sie sich bekriegen bis auf das letzte Brot oder den letzten Tropfen Wasser? Schaut man in die Geschichte, gibt es Beispiele für alles. Für beispiellose Solidarität und Hilfe. Aber auch für die wilden ungezügelten grausamen Seiten des Menschen, der zum Tier werden kann, wenn er überleben will.

Meiner Enkelin Anna habe ich eingeschärft, keinen Fahrstuhl mehr zu betreten. Für Berlin hat man ausgerechnet, dass es fünf Tage dauern würde, alle „Steckengebliebenen“ zu befreien. Wieviele das überleben, fällt nicht schwer auszurechnen. Vor ein paar Tagen fragte ich Anna, ob sie sich an mein „Gebot der Stunde“ hält. Sie antwortete mir mit dem Charme der Jugend: „Ja, Oma, ich steige in keinen Fahrstuhl mehr. Nur zu Hause!“ (Sie wohnt in einem Fahrstuhlhaus im 5. Stock) – Nun ja, kann ich verstehen. Wer steigt schon gern täglich in den fünften Stock. Ich würde vielleicht auch denken: Dieses eine Mal wird es klappen. Geht ja schnell! – Genauso schnell kann es gehen, dass der Strom ausfällt. Das wird nicht angekündigt, sagen die Blackout-Experten. Sohn Ben wiederum meint, ich sei eine unverbesserliche Misanthropin, die auf die Kapitalisten reinfällt, welche das Gerücht streuen, um, ja um auch daran zu verdienen! Nun ja, das Sozialisten-Leben ist leicht. Säuberlich eingeteilt in Gut und Böse. Ich höre mir alle Für und Wider an und bereite mich vor. Schließlich haben wir schon immer Versicherungen, die wir selten oder nie brauchen. Und das ist gut so. Ein Notstromaggregat ist eine Versicherung. Essensvorräte sind eine Versicherung. Wasserflaschen auch. Taschenlampe und Kerzen. So viel Platz muss sein. Dass die Zeiten nicht rosig sind, hat ja – vielleicht außer denen, die nur ÖRR schauen – jeder begriffen. Und selbst dort im Regierungsbeklatsch- und -begleitmedium: Das ZDF sendete kürzlich einen längeren Blackout-Beitrag, so hörte ich. Denn, was das ZDF mir zu sagen hat, weiß ich längst.

Nun harren wir der Dinge, die da kommen oder – wenn wir sehr viel Glück haben – nicht kommen. Selbst ein Ideologe, wie der Herr Habeck, hofft auf die Klimaerwärmung, die er doch sonst so erbittert bekämpft: Angst vor einem Grad mehr in 2050. Aber keine Angst vor zwanzig Grad mehr im Winter 2022. Ach, Robert, Dein Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen.

Ich wünsche uns , dass wir den Winter ohne schlimme Blessuren überleben. Meine Enkelin Anna interessierte sich in erster Linie dafür: Wie trifft sich die Familie beim Blackout? Das fand ich rührend. Ein Prosit also – auf die Klimaerwärmung!

Foto: Ein paar Vorräte


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