Otto Mellies. Er war in meiner Kinderzeit DER Fernseh- und auch Filmschauspieler in der DDR. Auch ein begnadeter Theater-Tragöde. Besonders durch „Dr. Schlüter“, ein Fernsehfilm in mehreren Teilen. Wie er in seiner Biografie schreibt, wurde er von Taxifahrern mit „Bitte, Herr Doktor“ ins Taxi gebeten. Der Brinkmann-Effekt. Nur, dass Dr. Schlüter natürlich viel politischer war. Und so war Mellies auch das, was ich einen Staatsschauspieler nennen würde. Aber dennoch ein sehr guter Schauspieler. Ich habe – wie schon gesagt – seine Biografie gelesen, die ich sehr interessant fand. Sie weckte viele Kindheitserinnerungen. Andererseits blieb er auch ein bisschen im Nebulösen. Er gab nicht alles von sich preis, was ich ihm nicht übel nehme, es ist nicht jedermanns Sache, die großen Gefühle in die Welt zu schleudern, wenn sie nicht gespielt sind. Vor ein paar Jahren stand er vor meinem Studio im Rundfunkhaus in Berlin, da, wo ich meist arbeite. Er sollte etwas einsprechen. Und ich hatte so einen kleinen Stich in der Brust, weil er sich mir vorstellte, obwohl ich genau wusste, wer er ist. Das hat mich gerührt und auch ein wenig aufgewühlt. Weil er in diesem Moment ein ganz normaler Mensch war. Und ich hatte ihn sehr sehr gern und er hat mir ein Stück Kindheit und Jugend wieder gegeben. Er war im Alter meiner Eltern. Nun ist er von uns gegangen. Und ich bin traurig.
27. Apr 2020