Wieder ist einer der ganz besonderen Menschen und Musiker von uns gegangen.
Wolfram lernte ich kennen, als Peter Cäsar Gläser die Band „Karussell“ 1983 verließ, um eine eigene Band aufzubauen. Er konzipierte mit dem umtriebigen – leider früh verstorbenen – Bassisten Bernd Herchenbach ein Projekt, das sich innerhalb kürzester Zeit zur Idee einer Superband mauserte. Peter Cäsar Gläser und Paul Dinter als Sänger und Gitarristen. Bernd Herchenbach, der so „funky ami-mäßig“ Bass spielte. Dazu der Avantgarde-Pianist Erwin Stache und – ER. Der beste Schlagzeuger, den ich bis dato erlebt hatte. Wolfram Dix.
Er trommelte so perfekt, wie er unnahbar war. Meist verstand ich nicht, was er wollte. Er warf mir höhnische Blicke zu. Und trug dazu bei, dass ich Jazz bis zum heutigen Tag einfach nicht lieben kann. Stache und Dix. Jazz-Avantgarde-Musiker. Ich wusste schnell, sie passten nicht zum bodenständigen Rock. Ich hatte Albträume von Wolfram und dem Elite-Spirit, den er in die Band brachte. Wie überhaupt die Band ein Albtraum wurde. Und selbstverständlich zusammenbrach.
Wenn Stars – gewissermaßen von oben – ein Projekt von Dauer zelebrieren sollen, bedarf es der zwei großen D: Demut und Disziplin. Beides war im Konstrukt, das sich aus der heutigen Perspektive Cäsars Rockband I nannte, nicht vorhanden. Da war keiner demütig. Am ehesten die Rocker: Peter und Paul. „Die sind alle so gut!“. Diszipliniert war auch keiner. Sie tranken alle zu viel und machten sich lustig über den Namensgeber der Band, auch auf der Bühne – sie bekämpften ihn an allen Fronten.
Es gibt zwei Aufnahmen, die beim damaligen Rundfunk der DDR in Berlin entstanden, an die ich mich erinnern kann: „Steig ein“ und „Im Bauch des Riesen“. Das Schlagzeug von Wolfram Dix: Einfach göttlich! Ich war bei den Aufnahmen dabei. So viel Streit und Profilneurosen hatte ich vordem nicht erlebt. Der Bandleader und die Produzentin waren entnervt und ziemlich bald wusste Peter, dass das nicht so weitergehen konnte. Seine Supermusiker wussten es noch ein bisschen schneller. Das Star-Projekt ging in die Knie.
Und wir gingen auf die Suche nach neuen Solisten, insbesondere nach einem Schlagzeuger, der wenigstens annähernd der Klasse eines Wolfram Dix entsprechen könnte. Und haben keinen gefunden. Uns gefiel keiner mehr. „So einen finden wir nie wieder!“, meinte Peter. Einen zweiten Wolfram Dix mussten wir uns aus dem Kopf schlagen. Er konnte nicht unser Maßstab sein.
Eines Tages schneite Peter eine Band ins Haus, vollständig und mit Anlage, was damals nicht unwichtig war. Wir haben die Band und deren Schulden übernommen. Und das Projekt Cäsars Rockband II war geboren. Die weitere Geschichte ist bekannt.
Wolfram Dix ging seinen Weg. Peter Cäsar Gläser ging einen anderen. Beide wurden älter und milder. Ich las in den autobiografischen Aufzeichnungen von Wolfram, dass er einiges bereute, was die beschriebene Bandgeschichte, insbesondere das „Betragen“ auf der Bühne, betrifft.
Wolframs und Peters Wege trafen sich musikalisch nicht mehr. Aber die Geburtsstadt Leipzig hatten sie gemeinsam. Und leider auch den Krebs. Mit dem sie 2008 zur gleichen Zeit kämpften. Peter las mir damals – sichtlich gerührt – eine E-Mail vor, in der Wolfram ihm Mut machte und von seiner eigenen Krankheit berichtete. Wolfram überstand den Krebs mit einer neuartigen Operation, die sogar in einem Film dokumentiert wurde.
In den letzten Jahren traf ich Wolfram einmal auf einer großen Geburtstagsparty und wir haben uns ganz entspannt und sogar lachend unterhalten. Wir waren auf Facebook befreundet und schrieben uns ab und an. Die wilden Jahre waren vergangen und vergeben.
Heute Nacht ist Wolfram Dix im Alter von 65 Jahren gestorben. Er hatte noch so viel vor.