4.30 Uhr aufstehen. Meine Träume sind mir heute Nacht zu aufregend. Also: Aus der Traum. – Besser im stillen Zimmer am Laptop sitzen und die letzten Nachtirrlichter auf Facebook lesen. Sohn Nr. 1 eine Bekräftigungsnachricht schicken. Halte durch! Er hat sich viel vorgenommen. Sorgen machen um Sohn 2, viel später am Tag dann telefonieren. Sorgen gemildert, alles nicht so schlimm. Frühstücksbrei essen, meine neueste Erkenntnis auf dem Gebiet der Ernährung. Dann Kaffeetasse mal vier. In die erste ein Löffel Kakao. Soll gute Laune erzeugen. Was ich bestätigen kann, ich mache seit einem knappen Jahr den Selbstversuch und könnte ab und an vor Fröhlichkeit bersten.
Wenn die Umstände danach wären. Später all die wirren Nachrichten, sowohl der Lückenpresse, als auch der alternativen Internetverlautbarungen lesen. Aufregen. Aufregen. Nägel kauen. Und schwören: Nicht mehr so viel lesen! Nicht mehr so viel kauen! Noch ein Kaffee. Moderationsskript für heute und morgen schreiben und an den Moderator mailen. Haare waschen und an Anna denken.
Die Enkelin kommt um 12.00 Uhr. Wohin gehen wir heute? – In den „Wiener Wald“? – Nein, heute nicht. Heute mal indisch essen. – Auch schön. Neben uns eine Gruppe junger Manager, ok – und Managerinnen -, die sich über die Kosten von Workshops unterhält. (Oder schreibt man da unterhalten?) – Ich überlege, hätt ich in diesem Alter so tödlich Langweiligem interessiert zugehört oder wenigstens so getan? Spüre leichte Aggressionen. Esse schneller. Die Young-Work-Shopper haben’s eilig. Gottseidank. Wir können sitzenbleiben und Pläne schmieden.
Ja, natürlich gehen wir – wie immer mittwochs – in den Pudel-Netto, der ein Schnauzer-Netto ist, aber bei uns eben Pudel heißt. Dort kaufen wir das, was früher Brotbüchsen hieß, retroschick, und ganz viel Joghurt, den ich ebenfalls neu in den Speiseplan einbaue. Ich las kürzlich über Mikroben, die sich im Körper befinden. Sie sollen die Crux sein. Wer die falschen Mikroben hat, kann Diäten ohne Ende exerzieren, es wird nichts nützen. Joghurt ist schonmal ein guter Weg, mikrobiotisch, obwohl der Professor, von dem ich das hab, es auch nicht ganz sicher weiß.
Wer weiß was sicher in diesen unsicheren Zeiten? Wir probieren Parfüme aus – in der grünen Parfümerie. Grausame Düfte von Bulgari und Jette Joop. Anna liebäugelt neuerdings mit dem Helene-Fischer-Parfüm. Es sei „gar nicht so schlecht“. Puh, Helene Fischer! Ok, ok, ich riskier ’ne Nase. Leider sticht es und verändert sich später noch stechender in etwas Billiges. Besser das neue Lacoste. Anna braucht unbedingt einen Nude-Lipliner, graubräunlich, der neue Hit. Die jungen Mädchen haben damit farblose Lippen und sehen aus, wie die schöne Tatortleiche auf der Pathologen-Pritsche. Meine kleinen Sticheleien nützen natürlich nichts. Tun sie nie. Anna will diese Lippen. Die sind „voll in“.
Wir fotografieren noch „unsere“ Villa, die wir später haben werden. Wir wissen noch nicht, wie sie in unser Leben kommt. Deshalb: Visualisieren. Visualisieren. Visualisieren. Auf der Rückfahrt kleine Diskussion im Auto: Was würden wir tun, wenn wir wüssten, dass wir nur noch eine Woche zu leben haben. Anna sagt: Ich würde alles tun, was ich mir jetzt verbiete! – Erstaunlich. Ich dachte immer, das mache nur ich. Dass Siebzehnjährige sich schon alles verbieten, war mir neu. Was für eine Jugend! Brav und anspruchsvoll. Energisch und karrierebewusst. Was war ich doch für ein dummes Hascherl – damals, als es hieß: Mit siebzehn hat man noch Träume…