24. Okt 2021

Wir schlugen uns mit den Tücken neuer Word-Programme herum bis zum Exzess – aus meinem sporadischen Tagebuch

Ich bin hier nicht fremd in meinem neuen alten Magdeburg. Ich bin hier in die Schule gegangen. Und die Freundinnen von damals sind noch da. Was für ein Glück! Ich bin hier nicht allein. Nur die Kinder. Und die Enkel. Sie fehlen ab und an. Mit dem 8jährigen bin ich jetzt bei WhatsApp. Schöne neue Welt! Und in den Herbstferien kam der jüngste Enkel und entführte mich in die Welt der Dinosaurier, der ich durch späte Geburt in real entkam. Schleimbasteln, in Dino-Eiern wühlen und Dino-Scheiße kneten. Auf Kreidefelsen herumhacken. Um am Ende ein dürres Plastikgerippe als Lohn zu bestaunen.

Da freu ich mich auf den Tag, an dem er mich nach seinem Musiker-Opa fragt, der gestern nun schon seinen 13 Todestag hatte. Ob ich dann noch Erinnerungen habe, die mitteilenswert sind? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wenn ich die Welt um mich herum betrachte, verändert sie sich rasant, ich sehe zu, wie sich dieses wohlstandskranke Gebilde, das sich so ungern Deutschland nennt, zu einer Art DDR 2.0 entwickelt. Und klar, die sich so aufgeklärt und gutmenschelnd gebärdenden Wessis merken das nicht. Und man kann es ihnen auch nicht erklären. Manchmal braucht der Mensch die Praxis. Oder immer. Und ich habe die Praxis. Wir hier im Osten haben sie. Ich sitze auf meinem Kinositz und schaue dem Schauspiel zu. Mit und ohne Unterwerfungslappen.

Kaum ist der Enkel wieder zu Hause bei Mama und Opa, meldet sich die schon ziemlich erwachsene Enkelin. Kannst du mir bei meiner Hausarbeit helfen? Dieses Mal nicht für die Schule, sondern fürs Studium. Klar, mach ich. Wie immer mach ich das. Und freu mich, die stark erblondete Schönheit zu sehen und in die Arme schließen zu können. Nun ist auch das wieder Geschichte. Es ist Sonntagabend, die Hausarbeit ist fertig. Wir schlugen uns mit den Tücken neuer Word-Programme herum bis zum Exzess. Frau Enkelin kann sehr ungehalten werden, wenn nicht gleich alles klappt. Sie übt schon für die spätere Administration. Business Administration heißt das, womit sie sich nunmehr für ein paar Jahre beschäftigen wird.

Wir essen Wildschweingulasch mit Preiselbeeren und Klößen. Wir schauen die hysterische Serie „jerks.“ mit Christian Ulmen und Fahri Yardim an. Sie findet die „so lustig“. Ich nicht. Vor allem die Serien-Frauen sind für mich wie vom anderen Stern und unsympathisch dazu, so dass ich eher schlechte Laune habe und mich über die Männer wundere, die sich für solche Damen und ihre Dramen interessieren. Die sich von denen herumschubsen lassen und ihre lächerlichen Wünsche erfüllen. Und dieses Ausdiskutieren immerzu. Grauenhaft! Ok, soll ja lustig sein!

Ich bin einfach zu alt. Ich verstehe die Welt, wie sie sich mir im Moment zeigt, nicht, wäre die falsche Schlussfolgerung. Ich verstehe sie ziemlich gut. Nur kann ich es einfach nicht glauben, dass das alles passiert, was gerade passiert. Dass ich so machtlos bin.

Morgen ist ein neuer Tag. Und das Wichtigste ist dann doch, dass mir der Rücken nicht so weh tut wie heute. Und dass ich so ungeimpft bleibe, wie am ersten Tag.

Foto: Anna und ich heute Nachmittag


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